Bahn: Neue Regeln zu Entschädigungen bei Verspätung und Ausfall

Für Bahnreisende gelten ab sofort neue Rechte bei Zugausfall oder Verspätung.

Es wird nicht immer alles besser, eine neue EU-Verordnung führt nun dazu, dass es Bahnkunden in Deutschland einige Verschlechterungen geben wird.

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Seit dem 07. Juni 2023 gilt die Neufassung der EU-Verordnung „über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr“. Darin geht es um Entschädigungen für Bahnreisende, wenn es auf der Schiene mal wieder nicht so läuft wie gedacht. Dabei gibt gravierende Änderungen zur bisherigen Lage.

Was das für Änderungen sind, darum geht es in diesem Artikel.

EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr

Die Europäische Union hat eine neue Verordnung verabschiedet, die die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr regelt. Diese Verordnung zielt darauf ab, den Fahrgästen einen umfassenden Schutz und eine verbesserte Qualität des Bahnverkehrs in der gesamten EU zu bieten.

Ein zentraler Aspekt der Verordnung ist die Gewährleistung von klaren und transparenten Informationen für die Fahrgäste. Die Bahnbetreiber sind verpflichtet, umfassende und leicht verständliche Informationen über Fahrpläne, Verbindungen, Preise und mögliche Verspätungen zur Verfügung zu stellen. Zudem müssen sie die Fahrgäste über ihre Rechte im Fall von Verspätungen, Ausfällen oder verpassten Anschlüssen informieren.

Die Verordnung legt auch besonderen Wert auf die Rechte von Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Die Bahnbetreiber sind verpflichtet, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um den barrierefreien Zugang zu den Zügen und Bahnhöfen zu gewährleisten. Dies umfasst beispielsweise die Bereitstellung von barrierefreien Einrichtungen, Unterstützung beim Ein- und Aussteigen sowie angemessene Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderungen.

Des Weiteren legt die Verordnung fest, dass Fahrgäste im Falle von Verspätungen oder Ausfällen Anspruch auf Rückerstattung oder alternative Beförderungsmöglichkeiten haben. Wenn eine Verspätung mehr als 60 Minuten beträgt, haben die Fahrgäste Anspruch auf eine teilweise Rückerstattung des Fahrpreises. Bei längeren Verspätungen oder Ausfällen müssen die Bahnbetreiber alternative Beförderungsmöglichkeiten anbieten, um sicherzustellen, dass die Fahrgäste ihr Ziel erreichen.

Die Verordnung sieht außerdem vor, dass Fahrgäste bei verpassten Anschlusszügen Anspruch auf Unterstützung und Informationen haben. Die Bahnbetreiber müssen angemessene Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Fahrgäste, die ihren Anschluss aufgrund von Verspätungen oder Ausfällen verpassen, alternative Verbindungen erhalten und gegebenenfalls mit Unterkunft und Verpflegung versorgt werden.

Schließlich betont die Verordnung auch die Bedeutung der Sicherheit im Eisenbahnverkehr. Die Bahnbetreiber sind verpflichtet, geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit der Fahrgäste während der gesamten Reise zu gewährleisten. Dies umfasst unter anderem den Schutz vor Diebstahl, Vandalismus und anderen Straftaten.

Die neue EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ist ein bedeutender Schritt, um den Bahnverkehr in der Europäischen Union zu verbessern und den Fahrgästen einen umfassenden Schutz zu bieten. Sie stärkt die Rechte der Fahrgäste, fördert die Transparenz und sorgt für eine höhere Qualität des Bahnverkehrs in der gesamten EU.

Rechte für Bahnreisende | Foto: u_d98yqqemck, pixabay.com, Inhaltslizenz

Rechte für Bahnreisende | Foto: u_d98yqqemck, pixabay.com, Inhaltslizenz

Was bedeutet das für Bahnkunden in Deutschland?

Die oben genannten Punkte hören sich im ersten Moment ganz gut an. Alles soll klarer und transparenter werden und die Kunden sollen bei Störungen Unterstützung von den Eisenbahnunternehmen bekommen. Toll. Doch bei genauerem Hinsehen, gibt es einige Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Regelung.

Bislang ist es so, dass Bahnreisende bei einer Verspätung von über 60 Minuten am Zielbahnhof eine Entschädigung von 25 Prozent des Ticketpreises verlangen kann. Bei Verspätungen über 2 Stunden gab es sogar 50 Prozent des Fahrpreises zurück. Online über das Kundenkonto auf der DB Homepage bzw. im DB Navigator oder das entsprechende Formular ging die Beantragung und Abwicklung auch relativ problemlos.

Ab sofort reicht es aber nicht mehr, dass man mindestens 60 Minuten zu spät ankommt. Jetzt kann es dazu kommen, dass man keine Entschädigung mehr erhält, wenn das Eisenbahnunternehmen nachweisen kann, dass die Verspätung durch „außergewöhnliche Umstände“ verursacht wurde.

Zu diesen „außergewöhnlichen Umständen“ gehören alle Dinge, die nicht im Einflussbereich des Bahnunternehmens liegen. Dazu zählen beispielsweise Menschen auf den Gleisen, technische Manipulationen (wie Kabeldiebstahl) oder extreme Witterung.

Streiks zählen jedoch ausdrücklich nicht zu den außergewöhnlichen Umständen.

Vor allem der Bereich „extremes Wetter“ wird in Zukunft sicherlich für einige Verwirrungen sorgen, ist dieser in der EU-Verordnung doch sehr schwammig formuliert. Die Deutsche Bahn will aber bei „gewöhnlichen Unwettern“ auch weiterhin eine Entschädigung zahlen.

Gerichtliche Klärung

Im Zweifel werden sich jedoch wieder einmal die Gerichte damit beschäftigen müssen, was alles genau zu den „außergewöhnlichen Umständen“ zählt und in welchen Fällen, auch weiterhin eine Entschädigung gezahlt werden muss.

Bis dahin muss man als Reisende auf die Kulanz der Eisenbahnunternehmen hoffen oder selbst klagen.

Diese Regeln gelten weiterhin

Neben Änderungen bei den Entschädigungszahlungen stehen in der erneuerten EU-Verordnung aber auch Dinge, die weitgehend so bleiben wie bisher. Dazu zählen die Punkte Verpflegung und Hotelunterbringung.

Bei den Regel zur Verpflegung und Hotelunterbringung gibt es keine außergewöhnlichen Umstände, auf die sich die Bahnunternehmen berufen könnten. Bei einer Verspätung von über 60 Minuten stehen den Reisenden auch weiterhin das Recht auf Hilfeleistungen zu. Dazu zählen Verpflegung und Getränke, die im angemessenen Verhältnis zur Wartezeit den Reisenden zur Verfügung gestellt werden müssen.

Das betrifft auch die Unterbringung in einem Hotel. Wobei es hier die Neuerung gibt, dass die Hotelunterbringung auf höchstens 3 Nächte begrenzt werden kann, wenn „außergewöhnliche Umstände“ zum Zugausfall geführt haben.

Zudem haben Reisende bei absehbaren Verspätungen von mehr als 60 Minuten am Zielbahnhof auch weiterhin die Möglichkeit, sich den Fahrpreis erstatten zu lassen oder die Reise fortzusetzen. Bei der Wahl der Reisefortsetzung steht es ihnen frei, bei nächster Gelegenheit oder auch später weiterzufahren. Dabei ist auch stets eine andere, vergleichbare Verbindung zum Zielort erlaubt.

Neu ist die Möglichkeit, vom Bahnunternehmen auf Züge eines anderen Eisenbahnunternehmens umgebucht zu werden.

Die Reisenden dürfen nun auch ihre Weiterreise selbst organisieren. Dafür müssen sie sich jedoch die Zustimmung des Bahnunternehmens holen (etwa am Serviceschalter im Bahnhof oder von den Zugbegleitern im Zug). Sollte das Bahnunternehmen nicht erreichbar sein oder man hat bereits über 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtzeit, dem verpassten Anschluss oder dem ausgefallenen Verkehrsdienst vergeblich darauf gewartet, dass man eine Alternative für die Weiterreise genannt bekommen hat, dann darf man sich nun selbst um alternative Verbindungen kümmern und diese nutzen.
Dabei ist aber nur die Nutzung von Bahn- und Busverbindungen anderer „öffentlicher Verkehrsdienste“ erlaubt. Auch das wiederum eine sehr schwammige Formulierung. Aufs Flugzeug sollte man also nicht unbedingt umsteigen, will man für diese alternative Verbindung später eine Entschädigung erhalten. Ein Taxi oder ein Fernbus* wäre aber wohl kein Problem. Ein Mietwagen wäre wohl wiederum ein Problem.

Ein selbständiges Upgrade auf einen höherwertigen Zug (wie ICE oder IC) ist aber auch weiterhin möglich, wenn die Verspätung am Zielbahnhof absehbar mehr als 20 Minuten beträgt. Dafür muss man jedoch zunächst ein entsprechendes Ticket kaufen, kann sich dieses aber später wieder erstatten lassen.

Eine Verschlechterung gibt es sogenannten „Durchgangsfahrkarten„. Kauft man für eine Bahnreise mehrere Tickets und der erste Zug fällt aus, dann erhält man auch nur für das erste Ticket eine Entschädigung. Das zweite Ticket geht auf die eigene Kappe, auch wenn das teurer sein sollte.
Eine Ausnahme besteht nur, wenn man beide (alle) Tickets in einer Transaktion erworben hat. Dann gelten diese Tickets als „Durchgangsfahrkarte“ und die Ansprüche auf Erstattung gilt für die komplette Zugreise.

Stammt solch eine Durchgangsfahrkarte nicht vom Bahnunternehmen selbst, sondern von einem unabhängigen Fahrkartenverkäufer oder einem Reiseveranstalter, und man verpasst einen Anschlusszug, dann gilt nach der neuen EU-Verordnung, dass der Anbieter den gesamten Ticketpreis zuzüglich einer 75-prozentigen Entschädigung vom Ticketpreis zahlen muss. Es sei denn, es wird bereits bei der Buchung darauf hingewiesen, dass es sich bei den Tickets um getrennte Beförderungsverträge handelt. Dann haben Reisende keine durchgängigen Fahrgastrechte.

Fazit

Die neue EU-Verordnung „über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr“ hält einige Neuerungen parat, die nicht immer zum Besseren für die Bahnreisenden sind. Manche Formulierungen in der Verordnung sind extrem schwammig, so dass sich erst Gerichte damit befassen müssen  und werden, bevor letztlich konkrete Klarheit besteht. Und bspw. bei den sogenannten Durchgangsfahrkarten müssen Reisende ganz genau das Kleingedruckte studieren, um am Ende nicht auf teuren Kosten sitzen zu bleiben, nur weil eine on mehreren Verbindungen nicht geklappt hat.

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